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Forum zur Europäischen Bürgerinitiative

Partizipative Demokratie für ein bürgerorientiertes Europa: Herausforderungen und Perspektiven

Aktualisiert am: 25/10/2019

Am 9. und 10. August 2019 nahm das Team der Europäischen Bürgerinitiative am Arvamus-Festival in Paide (Estland) teil, um Bürgerinnen und Bürger zu treffen, die sich für die europäische Politik interessieren und mehr über die Europäische Bürgerinitiative erfahren möchten. Die Besucher nahmen an einer Podiumsdiskussion über die partizipative Demokratie in der EU und an einer Reihe weiterer Aktivitäten teil, mit denen ihr Wissen über das Instrument gefördert werden sollte.

„Europäische Bürgerinitiative“: Partizipative Demokratie für ein bürgerorientiertes Europa“

 

Unter dem Titel „Europäische Bürgerinitiative“: Partizipative Demokratie für ein bürgerbasiertes Europa“, europäische und nationale Experten für partizipative Demokratie, die über die Europäische Bürgerinitiative als Instrument der Bürgerbeteiligung debattiert wurden; ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede mit der estnischen Bürgerinitiative und die Herausforderungen, Lösungen und bewährten Verfahren im Bereich der partizipativen Demokratie in Europa.

Die Debatte wurde von Mall Hellam, Exekutivdirektor der Open Estonia Foundation, moderiert.

zusammengetragen; György Schöpflin, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatterin für die Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative; Pascal Herry, Teamleiter für die Europäische Bürgerinitiative bei der Europäischen Kommission; Pirkko Valge, Geschäftsführer der Good Deed Foundation; Marta Pardavi, Ko-Vorsitzende des ungarischen Helsinki-Ausschusses; Martin A. Noorkõiv, Geschäftsführer der Domus Dorpatensis Foundation, Vorsitzender des Vorstands von Good Citizen und Mitglied des Rates des Netzwerks estnischer gemeinnütziger Organisationen.

Was bedeutet es, EU-Bürger zu sein, und wie werden die EU-Institutionen ihnen nähergebracht?

Die Bedeutung eines europäischen Bürgers ist ein wesentliches Element für das Verständnis dessen, was partizipative Demokratie ist.  Der Begriff „Bürger“ ist für die Idee der Europäischen Union von zentraler Bedeutung; jeder Bürger eines Mitgliedstaats ist Unionsbürger. Die europäischen Institutionen unternehmen alle Anstrengungen, um die Bürger einander näherzubringen und sie in die Lage zu versetzen, aktiv am politischen System der EU teilhaben zu können. Dies gilt auch für die Funktionsweise der Europäischen Bürgerinitiative. So führte die Europäische Kommission beispielsweise eine Reform des Instruments durch, um es benutzerfreundlicher zu gestalten. Sie gilt ab Januar 2020. Diese Reform beinhaltet auch, dass das Europäische Parlament eine intensivere Debatte über jede erfolgreiche Initiative gewährleisten wird.

Partizipative Demokratie in Estland und in der EU: Merkmale und Herausforderungen

Pirkko Valge (CEO der Good Deed Foundation) und Martin A. Noorkõiv (Vorsitzender des Netzwerks estnischer gemeinnütziger Organisationen) betonen, dass die EU-Länder in Bezug auf Menschenrechte und Demokratie große historische Unterschiede aufweisen. Estland hat eine jüngere Geschichte des Bürgeraktivismus, und die Zivilgesellschaft beginnt allmählich zu handeln. Estnische Bürger sind besonders am Kinder- und Tierschutz sowie an Bildung und Umwelt beteiligt.

Marta Pardavi, Ko-Vorsitzende des ungarischen Helsinki-Ausschusses, hebt die Herausforderungen hervor, die mit der Durchführung einer massiven Kampagne für eine Europäische Bürgerinitiative verbunden sind, da sie eine große Zahl von Menschen und Unterschriften zusammenbringen muss. Die Durchführung einer Online-Kampagne über soziale Medien bringt auch einige praktische und rechtliche Hindernisse mit sich. In diesem Zusammenhang besteht ein großes Problem darin, dass Facebook sehr strenge Regeln für die Förderung politischer Kampagnen eingeführt hat, was sich auf die Möglichkeit auswirken kann, eine Initiative online bekannt zu machen.

Sie verglich auch die Situation in Estland mit dem Fall Ungarns. Sie erklärt, dass Estland und Ungarn zwar über ähnliche Instrumente der partizipativen Demokratie wie Referenden, Unterschriftensammlungen, Online-Aktivismusinstrumente, Crowdfunding-Kampagnen und Aktivismus in Ungarn verfügten. Als Beispiel nennt Frau Pardavi die „Besondere Einwanderungssteuer“. Diese Regel besagt, dass jeder, der öffentlich über die Einwanderung sprechen oder darüber diskutieren möchte, eine Steuer entrichten muss, da die Tätigkeit als Einwanderungsförderung gilt.

Abschließend wird die Aussprache mit der Frage abgeschlossen: „Wie können wir eine stärkere Beteiligung der Bürger am demokratischen Prozess erreichen?“ Die vorgeschlagene Antwort lautete, dass die Bürger sich als Politik nicht „verschmutzt“, sondern etwas Gut fühlen müssen und dass die Mobilisierung niemals nutzlos ist, solange sich die Institutionen zu einem konstruktiven Dialog über die Anliegen der Bürger verpflichten.

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Kommentare

Arno Niesner | 03/10/2023

Deliberative Formen von Bürgerbeteiligung sollten als ein erster Schritt gedacht werden auf dem Weg zur Etablierung einer Los- (Barnett/Carty, 2008/Hubertus Buchstein, 2009) oder Zukunftskammer (WBGU, 2011). David Van Reybrouck nennt diese Form einer aleatorisch-repräsentativen Demokratie "birepräsentatives System/Modell". Tamara Ehs in ihrem 2020 erschienen Essay Krisendemokratie: "Für Österreich würde dies auf Nationalstaatsebene bedeuten, den Bundesrat als Bürgerrat neu zu gründen." Im Schlusskapitel „Utopie“ meint sie gar: „Im Grunde ist es auch egal, wo wir mit der Demokratisierung beginnen; wichtig ist nur anzufangen.“

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